Der Monat November, für den die 11. Rauhnacht steht, ist traditionell der Monat, an dem wir uns mit dem Tod beschäftigen. Es gibt einige Feiertage im November, wie Allerheiligen, den Totensonntag und gleich zu Beginn das keltische Fest Samhain, an dem die Kelten die Toten ehrten und Kontakt zu den verstorbenen Seelen aufnahmen.
Balthasar, der 3. der Weisen aus dem Morgenland, brachte dem Jesuskind die Myrrhe. Balthasar bedeutet "Gott schütze sein (ewiges) Leben". Die Myrrhe wurde früher für die Einbalsamierung der Toten verwendet. Damit steht sie in enger Verbindung mit dem Thema Vergänglichkeit und Tod.
So ist es auch während der Rauhnächte ein wichtiges Thema, das uns zu den wichtigen Fragen im Leben bringt. Wir beginnen mit den kleinen Toden, die wir im Laufe eines Jahreszyklus, manchmal auch einfach während eines Tages bewusst erleben (der Wechsel von Tag und Nacht).
Du kannst dir heute Fragen stellen, wie: Was ist endgültig vorbei? Wo fühle ich mich gefangen und möchte mich befreien? Was will nun wirklich losgelassen werden? Was ist für mein Leben wichtig? Was soll am Ende meines Lebens über mich gesagt werden und geschrieben stehen?
Um dich mehr auf das Thema einzustimmen, lade ich dich ein, einem Friedhof einen Besuch abzustatten und dir die Gräber anzuschauen, die Stille dort aufzunehmen und dich davon berühren zu lassen. Wenn du tiefer das Thema Vergänglichkeit und Tod einsteigen möchtest, dann lies einfach weiter…
Vergänglichkeit
Im Buddhismus ist die Kontemplation über die Vergänglichkeit ein essentieller Bestandteil der Meditationspraxis. Damit machen wir uns bewusst, dass in jedem Augenblick des Lebens die Vergänglichkeit ein natürlicher Begleiter ist. Dadurch erhält das Leben seinen kostbaren Wert, da wir im Schnitt um die 80 Jahre Lebenszeit in dieser Welt verbringen.
Wie wollen wir die kostbare Lebenszeit nutzen? Wir sind im ewigen Prozess von Entstehen, Erhalten und Auflösen. Das ist die Natur des Lebens. Wenn wir es positiv betrachten, sehen wir, dass Leben zwar immer wieder Dinge vergehen lässt. Dadurch aber auch immer wieder neue Chancen und Möglichkeiten erschafft. Das ist der Kreislauf des Lebens, im Großen (der Kosmos mit seinen Planeten und Super Novas (sterbende Sterne, die in einem unglaublich großen Licht explodieren), als auch im kleinen, wie die Blume, die erblüht, verwelkt und zur Erde zurückkehrt, aus der sie geboren wurde.
Deine Lebenszeit
Was machst du aus deiner Lebenszeit? Wieviel Lebenszeit verschwendest du? Wie oft führst du zB Gespräche, die keinen tiefen Sinn ergeben, in denen keine Nähe, kein wirklicher Kontakt entsteht, in der dir vielleicht dein Gegenüber zum 100. x die selbe Leier runterjammert, ohne endlich etwas zu verändern? Vielleicht nimmst du selbst auf diese Weise die Zeit von anderen Menschen in Anspruch? Wieviel Zeit verschwendest du am Handy, im Internet, vor Netflix? Wieviel Zeit verschwendest du damit, auf andere zu warten, darauf, dass zB deine Kinder groß sind, dass dein Mann oder du selbst in Rente gehst, usw? Wieviel Zeit betäubst du dich, mit Arbeit, Alkohol, anderen Substanzen, mit Sex, mit Süßigkeiten (Betäubungsmittel Nr. 1) oder anderen Sachen?
Und wieviel Zeit schenkst du dir selbst, für deine eigene Entwicklung, für deine innere Befreiung von den ewig wiederkehrenden Themen deiner Seele?
Wieviel Zeit verbringst du in wirklich tiefem, authentischen und dadurch heilsamen Kontakt mit anderen Menschen? Wieviel Zeit in dieser Qualität des Kontaktes mit dir selbst? Sobald du in diesen wahrhaftigen Kontakt erstmal mit dir selbst gehst, in Kontakt kommst mit deiner Bedürftigkeit und diese offen annehmen kannst, kommst du in Kontakt mit deiner Menschlichkeit. Und diese Klarheit über deine Bedürftigkeit macht dich berührbar und nahbar, für andere Menschen. Steht weniger Schutz zwischen euch, kann menschliche Nähe entstehen. Und das ist etwas Heilsames und Wundervolles.
Kontakt mit dem Leben
Es geht darum, in vollen Kontakt mit dem Leben zu kommen, dich voll einzulassen, auf das Leben, keine Trennung mehr zu errichten, keine Widerstände. Und genau das ist so schwer, genau davor haben wir soviel Angst. Versuche das Leben voll zu bejahen, dein volles JA zu geben - zu allem, was das Leben dir schenkt. Auch wenn es schwierige Situationen und Menschen sind, versuche ihre Menschlichkeit und Bedürftigkeit und Angst zu sehen. Je weniger Widerstand du dem Leben entgegenstellst (und meist kommt das aus unserem Ego, im Sinne von: Nee, so habe ich mir das aber nicht vorgestellt…), umso mehr wirst du im Hier und Jetzt und damit mit dem Leben verbunden sein.
Um mehr zu erforschen, wo du mit dem Leben in Widerstand gehst, frage dich einfach: Wann und wie ich gehe ich in den Widerstand mit dem, was das Leben mir schenkt, was jetzt da ist? Wann gehe ich zB aus dem Kontakt mit Menschen? Wann gehe ich auf Autopilot? Wann gehe ich aus der Verbindung mit mir selbst, schneide mich von mir ab? Wann verliere ich den Kontakt zum Leben, bin Gedanken in völlig anderer Zeit?
Um mehr im hier und jetzt zu sein, kannst du dich einfach immer wieder bewusst mit deinem Körper mit seinen 5 Sinnen und dem 6. Sinn, deiner Intuition verbinden. Wenn du etwas Leckeres isst, dann rieche es, schaue es an und schmecke es wirklich. Genieße die Kraft, die das Essen deinem Körper schenkt.
Kontakt mit deiner Vergänglichkeit
Wenn du magst, fühle dich eingeladen, dir selbst 3 Fragen zu stellen: Was bereust du? Was hättest du gerne noch getan? Was möchtest du hinterlassen? Du könntest dir dabei vorstellen, du hast nur noch eine Stunde und möchtest vielleicht einem wichtigem Menschen noch diese Antworten anvertrauen.
Die Vergänglichkeit ist im Grunde ein tiefes Plädoyer FÜR das Leben, für dein tiefes Einlassen auf allen Ebenen, ohne Widerstand, ohne Trennung, ohne Kampf. Und das kann zB das wirkliche, tiefe Einlassen auf einen anderen Menschen sein, auf einen Aufgabe, auf einen Spaziergang, auf eine Tasse Tee - auf diesen einen, gegenwärtigen Moment - etwas anderes haben wir nicht, es ist immer dieser eine Moment - NOW.
Komme einfach voll im Leben an, ohne Versicherung, ohne Schutz, sondern ganz wild und pur und direkt - weniger digital, mehr so analog Das ist der Schatz, den dir deine Vergänglichkeit, dein eigener Tod offenbaren können.
Ein warmer Lebensgruss von Ulrike
PS: Dieser Text wurde stark inspiriert von einem Teaching meines Lehrers Thay Thien Son, während des diesjährigen Winterretreats. Sehr dankbar für alle Teachings und seine Begleitung während der letzten Jahre.
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