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Ulrike Freimuth

Traumabedingte Glaubenssysteme im Prozess transformieren vs Glaubenssätze mental verändern wollen

Im Text findest du Erklärungen zu Glaubenssystemen, eine praktische Herangehensweise zur Veränderung dieser und kurz mein eigener Prozess heute damit. Enjoy :-)


Wer kennt sie nicht, dieses Supercoaches, die daher kommen mit Parolen wie: „Du kannst alles erschaffen, wenn du nur willst und dieses oder jenes 3 Schritte-System verwendest und das Ganze geht dann auch total schnell“. Oder du gehst auf ein pushy, pushy, chakachaka Seminar, machst sehr intensive Erfahrungen im übererregten Zustand und mit tausenden von Menschen und fällst danach in ein Loch, kannst die Energie nicht halten und die Dinge nicht nachhaltig umsetzen. Bei wem von euch hat das wirklich funktioniert, also so, dass es sich wirklich positiv auf deine Lebensqualität ausgewirkt hat?


Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass solche Ansätze bei mir bislang nicht gewirkt haben und ich habe einiges ausprobiert…

Das könnte natürlich auch daran liegen, dass ich einige Traumafolgen im Gepäck trage und dann andere Mechanismen greifen. Dieser Text richtet sich also an Menschen mit Traumafolgestörungen.


Momentan bereite ich mich intensiv auf meine bevorstehende Abschlussprüfung zur Traumasensiblen Begleiterin vor ( bzw. zum “Coach für Neurosystemische Integration, ganzheitlich-integrative Traumaarbeit” ;-) ), die bald ansteht. Heute also u.a. das Thema: Glaubenssysteme transformieren. Und da ich gerne tief in Prozesse einsteige und die Dinge nicht nur rein kognitiv, sondern eben mit meinem ganzen Körperwesen erlerne und erfahre, bleiben ein paar kleine Selbsterfahrungsprozesse natürlich nicht aus (für die ich tief dankbar bin).


Übung zur praktischen Erfahrung deiner Glaubenssysteme


Ich mag dich kurz einladen, dir ein paar Minuten zu nehmen, ein paar mal wirklich tief einzuatmen und lang und langsam wieder auszuatmen. Wenn du grade etwas im Sympathikus aktiviert sein solltest (also in leichter Anspannung, Unruhe, Ungeduld, Aktiviertheit bist), hilft es manchmal, ein paar Minuten zu summen. Das kann leise sein, sollte aber ein paar Minuten dauern. Das aktiviert deinen Parasympathikus, der für Entspannung zuständig ist und reguliert dich etwas in dein inneres Gleichgewicht zurück.

Dann schaue dir die folgenden Glaubenssätze an und gehe mit ihnen in Verbindung. Es wird sicherlich ein paar geben, mit denen du in Resonanz gehst, also bei denen ein Gefühl, eine Körperreaktion oder bestimmte Gedanken dazu aufkommen:


  • Ich bin ich nicht erwünscht und willkommen.

  • Ich bin alleine und verloren.

  • Ich bin nicht gut genug.

  • Die Welt ist gefährlich und Menschen sind unberechenbar.

  • Ich muss es alleine schaffen.

  • Auf niemanden ist Verlass.

  • Ich gehöre nicht dazu.

  • Eigene Bedürfnisse zu haben ist falsch.

  • Ich muss etwas tun, um geliebt zu werden.

  • Mit mir ist etwas falsch.

  • Ich kann nichts ändern, es nützt alles nichts.


Was nimmst du in deinem Inneren wahr? Auf welche 2 - 3 Sätze reagiert dein Körpersystem am stärksten? Welche Empfindungen nimmst du konkret wahr (Gefühle, Körper, Gedanken)?





Wie können wir damit arbeiten?


Tragen wir traumabedingte Glaubenssätze, Handlungsmuster etc. in uns, dann sind damit zum einen konkrete neuronale Netzwerke verbunden, biochemische Prozesse und eben autonome Zustände unseres Nervensystems. Es findet also niemals nur auf der kognitiven Ebene etwas statt, sondern im ganzen Körperwesen.

Glaubenssysteme sind ein Komplex aus Gefühlen, Überzeugungen, Empfindungen und Bewertungen. Deshalb betitelt man sie in der Traumatherapie als Glaubenssysteme und nicht einfach nur als Glaubenssätze.


Wie entstehen Glaubenssysteme?


In unserer Kindheit sind wir darauf angewiesen, uns anzupassen. Biologisch sind wir Menschen Bindungswesen, deren erster Impuls es ist, Bindung aufzubauen und diese zu erhalten. Das gibt uns das Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit, die war als Kinder brauchen, um unser Überleben zu sichern. Unser Bindungssystem sorgt letztlich dafür, auch in toxischen Kontexten zu bleiben, solange die Bindung hier als sicherer eingestuft wird, als in einer neuen, unbekannten Situation. Diese Einschätzung läuft unbewusst ab, aus unseren frühen Prägungen im Nervensystem gespeist.

Das ist alles super, wenn ein Kind in einer wohlwollenden Umgebung aufwächst und diese Anpassungsfähigkeit zu einem harmonischen Verbundensein im umgebenden sozialen Gefüge führt.


Wird ein Kind aber in eine gefährliche, unfreundliche Welt geboren, passt es sich auch dieser Umgebung an - egal, wie schlimm die Umstände sind. Das Ziel ist immer: Überleben und das läuft über Anpassung, Bindungssystem-Aktivierung usw.

Kinder haben ein noch nicht ausgereiftes Gedächtnis. Sie bilden frühe Erinnerungen über das sogenannte Implizite Gedächtnis, also das Körpergedächtnis. Erst später kommen nach und nach klare kognitive Erinnerungen dazu, in Form von Gedanken, Bildern, Gefühlen, etc.


Internalisieren

Dazu kommt, dass Kinder internalisieren, was sie erleben. Das bedeutet, was immer jemand über sie aussagt, sei es in Worten oder mit dem Verhalten, werden Kinder auf sich beziehen und dies verinnerlichen. Und auch das läuft auf allen Ebenen ab.

Wächst ein Kind also in unguten Kontexten auf, werden seine Glaubenssysteme eine Mischung aus Anpassungsleistung (an das Außen) und eine Vermischung der Botschaften (die innere Welt formt sich) sein.

Sind Kinder von Menschen umgeben, die also weder wohlwollend mit ihnen umgehen, noch in der Lage sind, ihre Kinder co-zu-regulieren (ihnen helfen, sich aus übererregten oder untererregten autonomen Nervensystemzuständen wieder in Balance zu bringen), wird ein Selbstbildnis entstehen, welches nicht gerade förderlich ist für ein glückliches, erfülltes Leben.

Noch dazu sind diese Glaubenssysteme unter Hochstress entstanden, also mit Überlebensenergie gekoppelt und sehr solide. Also starke neuronale Netzwerke und Bahnen, aus denen man nicht einfach kurz mal aussteigen kann, weil ich es mir bewusst auf der kognitiven Ebene einrede, da wird leider wenig passieren Richtung wirkliche Veränderung.


Puh, kurz mal durchatmen :)


Wie kannst du damit arbeiten?


Ich skizziere hier nur einen Ansatz. Der andere Weg wäre über die innere Anteilearbeit. Beide gemeinsam führen zu wirklich heilsamen Ergebnissen.

Hier die gute Botschaft: Es ist möglich, diese Glaubenssysteme zu transformieren. Die „schlechte“ Message: Es braucht, Zeit und Geduld und Ausdauer.

Zum Glück gibt es die Neuroplastizität, also die Fähigkeit des Gehirns, sich zu verändern, neue neuronale Bahnen und Netzwerke zu bilden und bestehende Netzwerke umzubauen. Diese Eigenschaft hilft uns, Glaubenssysteme zu transformieren und eben bestehende Netzwerke langsam aber stetig zu verwandeln in Netzwerke, die uns helfen, gute Erfahrungen zu machen und ein gutes Leben zu gestalten.


Wir nähern uns diesem tiefen Transformationsprozess zum einen über die kognitive Ebene, also der Bewusstwerdung (auf welche Glaubenssätze reagiere ich? Wie zeigt sich das in meinem Leben?) Welche ungünstigen Situationen zeihe ich immer wieder an?) und zum anderen über den Zugang zu unserem Körperbewusstsein (der impliziten Erinnerung).


Bewusstwerdung:

Auf welche Glaubenssätze reagiere ich? Wie zeigt sich das in meinem Leben? Welche ungünstigen Situationen zeihe ich immer wieder an?


Erforschen des Systems:

Welche Körperwahrnehmungen habe ich? Welche Inneren Bilder? Welche Verhaltensmuster sind damit gekoppelt? Welche Gefühle und Emotionen kommen hoch? Welche Bewertung/ Bedeutung gebe ich ihnen?


Pendeln und Containment

In diesem Prozess ist es wichtig, dass du immer mal wieder aussteigst aus den negativen Empfindungen, Erinnerungen, Gedanken, etc. Und zu einer oder mehreren Ressourcen pendelst. Diese Pendelbewegung ist bei jeglicher traumasensiblen Arbeit so wichtig, um eben nicht in die Überflutungszustände zu geraten, bei denen wir uns hilflos und ohnmächtig unseren eigenen inneren Zuständen ausgeliefert fühlen!! Wir bilden dadurch auch nach und nach das innere Containment aus, die Fähigkeit, solche Zustände besser zu halten und zu regulieren.

Und es ist wichtig, dir Begleitung an deine Seite zu holen, wenn du das Gefühl hast, diesen Zuständen noch nicht alleine begegnen zu wollen oder zu können. Eine professionelle, wohlwollende, präsente Begleitung führt dich sicher durch solche inneren Prozesse und geht mit dir in die Co-Regulation, unterstützt dich also darin, wieder in regulierte Zustände der inneren Balance zu kommen.


Während des Prozesses (der seine Zeit braucht, der immer wieder mal aktiv sein kann, während mehrerer Tage und Wochen, wobei ein intensiver Teilprozess sich in einem Zeitrahmen von 90 bis 120 Minuten bewegen darf) schaffst du Raum für den Schmerz, der in diesen Glaubenssystemen gebunden ist, etablierst du Ressourcen, wirst du anerkennen, was war und was jetzt ist, alte Anpassungsmuster werden transformiert und es findet eine Ausrichtung auf eine selbst gestaltbare Zukunft statt. Die Energie, die gebunden ist, wird gelöst und behutsam als lebensbejahende Kraft in dein Körpersystem integriert. Nebenbei lösen sich die negativen Glaubenssätze :)


Um neue Netzwerke zu etablieren, darfst du neue Glaubenssätze regelmäßig in dein Gedächtnis rufen und vor allem emotional laden, positiv. Dadurch bilden sich neue neuronale Bahnen und alte Netzwerke werden verändert, neue Ausfahrten von alten Autobahnen gebaut. Auch ein Bewusst-machen von Situationen, die im positiven deinen Glaubenssätzen entsprechen und diese zu feiern, zu würdigen und den Unterschied bewusst wahrnehmen, trägt sehr dazu bei, neue Wege zu gehen und weitere neue Erfahrungen zu erschaffen.


Mein eigener Prozess heute


Wie zu Beginn geschrieben, gehe ich selbst gleich mit durch die Prozesse, dann kann ich das Gelernte direkt verinnerlichen und in meine Arbeit mit Klient:innen einfließen lassen ;-) Natürlich gehe ich schon seit Jahren durch innere Prozesse, auch Glaubenssatzarbeit, es geht in immer neue, tiefe Schichten und zum Glück hat sich bereits viel zum Guten verändert.


Meine beiden Sätze mit der meisten Resonanz heute waren: Ich bin nicht gut genug. Ich kann nichts ändern, es nützt alles nichts. Besonders der 2. Satz hat eine tiefe Wunde in mir getroffen. Genau diese Resignation, egal, was ich tue, egal, wie sehr ich mich anstrenge und mein Bestes gebe, es reicht einfach nicht. Ich bin in einem gewalttätigen, ablehnendem Elternhaus aufgewachsen, habe viel körperliche und emotional-psychische Verletzung erfahren. Entsprechend war ich der Übermacht meiner Eltern ohnmächtig ausgeliefert. Nichts hat geholfen, meine Situation zu verbessern. Alle Anstrengung war am Ende umsonst. Alle super Leistungen im Sport und in der Schule waren nicht gut genug. Alle Beschwichtigungen, Unterwerfungen und Anpassungen zu Hause reichten nicht, um den wiederkehrenden, willkürlichen Verletzungen und Angriffen zu entgehen.


Und das kam plötzlich wieder hoch, tiefer Schmerz, Tränen, dann viele Körperzuckungen. Habe den Prozess bewusst durchlaufen lassen. Immer einen inneren Beobachter dabei, zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, jetzt bin ich überwältigt. Nach ein paar Minuten dann pendeln zu einer Ressource, in meinem Fall die lebendige Vorstellung von mir bei einem Waldspaziergang, verbunden mit der Orientierung in dem Raum, in dem ich mich befand und einer präsenten Körperwahrnehmung.

Dazu arbeite ich seit einiger Zeit mit dem „Inner Wise System“ von Uwe Albrecht, der ganzheitlicher Arzt ist, auf energetischer Ebene ansetzt. Habe dann also mit der Inner Wise Apotheke gearbeitet, stärkende Frequenzen in mein System geholt.

Dann folgte wieder ein sehr körperintensiver Prozess. In meinem Körper entstanden Bewegungen, denen ich einfach Raum gab, es im vollsten Vertrauen auf meine Körperintelligenz laufen lies. Zuerst war es ein ziemliches Durchschütteln, noch im Liegen, dann folgten wellenartige Bewegungen im Sitzen, später kam der Impuls aufzustehen. Im Stehen wieder schütteln, locker werden, trotzdem fester Stand, viel Bewegung im Beckenbereich.


Und so schön: Der folgende Satz kam ganz natürlich und kraftvoll aus mir heraus und wurde direkt mit den Körperbewegungen und dem Gefühl von Freude und Kraft verbunden: JA, ich kann! Also diesen Satz immer wieder laut ausgesprochen, ja, ich kann! Und das fühlt sich so stark an, so selbstwirksam, so kraftvoll ! Den Satz kann ich vervollständigen mit ja, ich kann es schaffen/ es verändern/ mich beschützen/ mich verändern etc. Das gilt es jetzt in den nächsten Wochen bewusst und lebendig zu halten, in meinem ganzen Erleben.

Die Energie, die auf Körperebene durch das Schütteln frei gesetzt wurde, steht mir jetzt zur Verfügung. Gleichzeitig ein Bewusstsein von: Ich kann etwas verändern, mein Handeln trägt Früchte.


Und genau in dieser Energie ist dieser Text entstanden. Und in dieser Energie werde ich jetzt motiviert weiterlernen, ein schattiges Plätzchen im Wald dafür suchen.

Wünsche auch dir heilsame Prozesse. Und falls du du dir dabei Begleitung wünschst: Ab Juli stehe ich dafür gerne wieder zur Verfügung. Und es gibt natürlich auch viele andere traumasensible Begleiter:innen.


Alles Liebe von Ulrike <3






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